Die Waisenkinder vom UCC-Orphanage e.V.

Ende letzten Jahres hat mir meine Schwägerin einen Facebook Post gezeigt, es wird ein Fotograf gesucht, der Interesse hat mit ein paar anderen Personen nach Sierra Leone zu fliegen. Mein erster Gedanke war AUF JEDEN FALL!! Ich habe mich also direkt bei dem Verfasser des Posts gemeldet und mit ihm telefoniert. Es handelte sich um Marcel Juchhoff vom UCC-Orphanage (UCC-Orphanage.net). Er erzählte mir, dass es unter anderem um Fotos für seine Website geht. Ich konnte es kaum glauben und sprach lange mit meinem Mann darüber.

Da ich mich dann recht schnell entschieden habe, dass ich das machen möchte ging also die Vorbereitungszeit los...

Impfen, impfen und noch mehr impfen ;o)

 

Am 25.März war es dann soweit, Marcel, sein Bruder Florian und ich flogen nach Sierra Leone.

Es waren unfassbar viele Eindrücke die auf mich eingeströmt sind.

Zum Einen war da die Hitze, zum Anderen der Lärm, so so viele Menschen, dann die Armut die überall präsent war und der Geruch...

Überall wird Müll verbrannt, eine Müllverbrennungsanlage gibt es dort nicht. Riesige Berge auf denen Menschen nach brauchbaren Gegenständen suchten, Autos, die bei uns schon lange nicht mehr als fahrtüchtig eingestuft werden, Kinder die im Dreck spielten...

 

Wir haben die ersten Tage in einem Quarantänehotel verbracht, bis unser PCR Test ausgewertet war, dann durften wir an unser eigentliches Ziel: Freetown.

Wir sind mit einer sehr, sehr rostigen Fähre nach Freetown gefahren und von da aus zu unserem nächsten Hotel gebracht worden.

 

Am gleichen Tag habe ich die 20 Waisenkinder kennengelernt, die zur Zeit mit einem Caretaker, seiner Frau sowie einer Köchin in einem gemieteten Haus leben.

Wir haben uns alle kennengelernt, es wurde viel erzählt und später Fußball gespielt.

Im Laufe der 2 Wochen haben wir viele, coole, verschiedene Aktionen mit den Kids gemacht.

 

Wir waren mit allen auf Banana Island, ein großes Abenteuer für die Kinder, da viele nicht schwimmen können und wir natürlich mit einem Boot dort hingebracht wurden. Dort haben die Kinder für eine Nacht gezeltet, wir waren zusammen am Strand, es wurde viel im Sand gemalt, Fußball gespielt und ich wurde einige Male bei "Käsekästchen" geschlagen ;o) Für die Waisenkinder war dies eine Auszeit vom Alltag und den eigenen Gedanken...

Ein anderes Mal haben alle Kinder Seifenblasen von uns bekommen, da viele aber nicht wussten wie das funktioniert war es doch nicht so einfach wie ich mir gedacht habe mit meinen Bildern ;o)

Holi Farben haben wir vor Ort in einem Supermarkt gekauft, da ich selbst auch noch nicht häufig mit diesem Pulver geknipst habe war das auch für mich eine Herausforderung.

Wir alle hatten definitiv unglaublich viel Spaß zu experimentieren und wir alle waren dementsprechend zum Ende so richtig, richtig bunt!!!

An einem anderen Tag haben wir Bilder von den Kids mit Strassenkreide gemacht.

Jedes Kind hat seinen/ihren Berufswunsch an ein Tor geschrieben, Es handelten sich nicht wie man in Deutschland oft hört um "Fußballprofi, You Tuber usw." Sondern um Wüsche wie "Arzt, Anwalt, Krankenschwester..."

Alle Kinder sind so motiviert zu lernen, Bildung zu erlangen und einen guten Beruf zu erlernen, weil das die einzige Möglichkeit in diesem Land ist ein besseres Leben zu haben, Nahrungsmittel kaufen zu können, ein Dach über dem Kopf zu haben.

Durch die Organisation Ucc-Orphanage haben sie diese Möglichkeit, sie bekommen die Zeit zum lernen und sie haben Lehrer die ihnen Wissen vermitteln.

 

Ein abgebrannter Slum

Am 24.03.2021, einen Tag vor unserer Ankunft, ist in Freetown ein riesiger Slum abgebrannt.

16.000 Menschen, die an der untersten Armutsgrenze lebten, jeden Tag auf etwas zu essen gehofft haben, haben nun gar nichts mehr.

Marcel stellt einen Kontakt her und wir dürfen im Laufe der 2. Woche in diesen Slum...um uns ein Bild zu machen und um Fotos zu machen... für Deutschland.

Denn wir alle wissen, dass nur darüber sprechen niemanden ausreichend berührt.

Aber Fotos sind dazu in der Lage...Menschen wachzurütteln, die Emotionen und das Leid vor Ort zu zeigen und um Hilfe zu bitten.

Auch jetzt, 2 Wochen nach meiner Reise kann ich nur schwer meine Emotionen verdrängen, muss ich vielleicht auch gar nicht, denn nur so ist es mir vielleicht möglich anderen Menschen durch meine Erzählungen zu zeigen wie es mir vor Ort ging, wie ich mich fühlte.

Erschüttert, entsetzt, traurig, fassungslos und ganz besonders hilflos.

Die Menschen leben dort an der riesigen Mülldeponie der Stadt, die Gräben der städtischen Kanalisation verlaufen direkt durch den Slum, Kinder suchen im Müll nach Kleidung und Nahrung, Babys schlafen im Dreck, übersäht von Fliegen. Und der Geruch... den Geruch an diesem Ort hätte ich am liebsten eingefangen um ihn in Deutschland zu zeigen, um zu zeigen wie 16.000 Menschen, Berge an Müll und der offene Zugang zur Kanalisation riechen...

UNICEF, Caritas und andere Organisationen sind ebenfalls vor Ort aber auch diese Hilfestellungen reichen nicht aus.

Wir sind ursprünglich dort, um Bilder zu machen und um mit den Menschen zu sprechen.

Allerdings müssen wir das Ganze unterbrechen, weil sich im Laufe der Stunde, in der wir dort sind, um die 150 Kinder versammelt haben und es werden immer mehr.

Sie begrüßen uns lächelnd mit einer Art Sprechgesang, auf Nachfrage was die Kinder rufen, sagt man uns

" Ihr Weißen gebt uns Essen..."

Das ist der Moment in dem mein Herz brüllt, denn ich kann nichts tun, ich kann keinen 16.000 Menschen helfen, nicht alleine und auch nicht zu dritt...

Zurück im Hotel hängen wir 3 unseren Gedanken nach, ich telefoniere mit meiner Familie, muss meine Kinder hören und mit meinen Menschen sprechen, der erste Tag an dem ich Heimweh habe...

Ein paar Tage später haben sich unsere Gedanken ein wenig geändert... wir müssen irgendetwas tun!

Marcel telefoniert mit seinem Stiefvater, dem 1. Vorsitzenden von UCC-Orphanage, dieser möchte Spenden.

Ich telefoniere mit meiner Mama, auch wir werden etwas dazu geben, sie fragt mich nur wieviel Bargeld ich noch habe, 200€... alles klar, das geht zu diesen Menschen. Auch Florian, Marcels Bruder will spenden.

Also überlegen wir gemeinsam was die Menschen benötigen. Eigentlich wäre Zement das Wichtigste, denn in etwa 2 Monaten beginnt die Regenzeit und diese Menschen haben keinerlei Schutz vor den Wassermassen.

Aber Zement ist zu teuer, so viel Geld haben wir nicht also planen wir kurzfristig.

Wir wollen 1.500 Kg Quellreis, 140Kg gefrorenes Hühnchen, 100 l Öl und ca. 100 Paar Schuhe und Unterwäsche besorgen.

Gesagt getan am Freitag vor unserer Abreise gehen wir gemeinsam auf einen riesigen Markt und besorgen diese Dinge.

Samstag Vormittag werden wir abgeholt, unsere Spenden sind in einem Bulli und Menschen die uns helfen alles zum Slum zu transportieren, fahren mit uns gemeinsam zum Slum.

Dort angekommen wird alles zu einem kleinen Platz gebracht von wo aus alles gerecht verteilt werden soll.

Es gibt eine Liste auf der die einzelnen Familien aufgeführt sind, jede Familie bekommt einen Anteil.

Wie erwartet bricht ein Chaos aus, welches durch Alusine und seine Frau (Die Caretaker der Waisenkinder) allerdings hervorragend gemeistert wird. Man darf nicht vergessen, dass hier niemand "böse" ist oder uns was will, sondern dass Alle aus purer Verzweiflung handeln.

Alusine behält den Überblick und gibt den Menschen zu verstehen wer gerade an der Reihe ist, seine Frau verteilt mit einigen anderen Freiwilligen Nahrung und Öl.

Ich selbst mache Bilder vom Geschehen, merke aber nach ein paar Stunden dass mir die Hitze, der Geruch und die Menschenmassen sehr zusetzen.

Ich setze mich in eine kleine Behausung, da mir immer wieder schwindelig wird, schwarze Punkte tanzen vor meinen Augen und ich habe Angst einen Kreislaufzusammenbruch zu bekommen. Also sitzte ich auf einer kleinen Bank und trinke, trinke, trinke. Währenddessen kommen immer mehr Kinder zu mir, möchten Bilder haben, posieren und fragen gleichzeitig ob ich was zu essen habe. Alle sind so hungrig...

Hinter mir liegen 2 Kleinkinder, eines davon nur in Unterhose, auf dem sandigen, steinigen Fußboden, beide Kinder schwitzen stark in der Hitze und sind voller Fliegen.

Eine sehr, sehr alte Frau kommt zu mir und bittet mich um Nahrung, ich versuche ihr zu erklären, dass wir auf der anderen Seite der Hütte Essen verteilen. So viele Menschen und in dem Moment wird mir eines so klar...wir sind so machtlos, denn wir sind nur 3 weiße Menschen...ich kann nicht alle retten und Menschen die ich an diesem Tag kennenlerne werden sicherlich in nicht allzu ferner Zeit sterben, an Hunger, an Durst, an den Wassermassen oder an Krankheiten, vielleicht Menschen/ Kinder die ich auf meinen Bildern habe.

Es ist wie ein Schlag ins Gesicht, ich fühle mich vom Schicksal der Menschen verhöhnt und kämpfe darum meine Fassung zu bewahren, denn welches Recht habe ich hier in Tränen auszubrechen, wenn die Menschen die hier leben so unglaublich stark sind und jede Minute um ihr Überleben kämpfen?

Beim Verteilen der Schuhe beginnt die Situation zu eskalieren, es wird sich gegeseitig überrannt, alle wollen zu dem Sack mit den Schuhen, der Unterwäsche. Also wird abermals unser Aufenthalt abgebrochen.

Wir werden über eine sehr hohe Treppe aus dem Slum gelotst, die Kinder folgen uns, werden aber immer wieder zurück gescheucht.

Meine Nerven sind am Ende, die Sonne knallt auf uns herab, so viel Wasser wie in diesen Stunden habe ich in meinem ganzen Leben nicht verloren. Alusine und sein Bruder bringen Florian und mich an einen Ort auf einem Markt wo wir verschnaufen können und auf die restlichen aus unserer Gruppe warten können.

Unserer Fahrer und Marcel holen uns dort mit dem Auto ab und von da aus geht es direkt zu unserer Fähre. Auf der Fähre habe ich kurz Zeit nachzudenken, meine Gedanken fliegen in meinem Kopf umher, ich bin überfordert. Der erste Slumbesuch ging an meine Grenze, der zweite Besuch geht allerdings weit darüber hinaus, nicht nur wegen der Menschen und dem Leid, dem Geruch und den Bergen an Müll, sondern auch weil mein Körper am Ende ist, die Hitze ist nicht auszuhalten, ich kann gar nicht so viel trinken wie mein Körper verliert und mein Kreislauf macvht nach wie vor Theater.

In Lungi angekommen dürfen wir in unserem alten Hotel eine Dusche nutzen, dann geht es zum Flughafen und zurück nach Deutschland.

Meine Eltern holen Marcel und mich am Sonntag in Amsterdam ab, ich fühle mich als wäre ich im falschen Film, ich kann nicht begreifen in einem strukturierten, sauberen Land zu sein, in einem Land in dem sich doch sonst alle Menschen beschweren, in dem Corona ein Thema ist...

Im Endeffekt brauche ich eine Woche um wieder "anzukommen",mein Kopf kann so vieles nicht begreifen, ich muss vieles ordnen und mein Magen hat seit Ankuft in Deutschland eine Party gefeiert, ich vertrage die Malariatabletten nicht mehr, muss aber noch bis eine Woche nach Ankunft durchhalten und ich träume jede verdammte Nacht...

Ich habe  in den vergangenen Tagen viel darüber nachgedacht ob ich so eine Reise nochmal machen würde.

Ich kann mit voller Überzeugung sagen, dass ich es absolut nicht bereue mitgefahren zu sein. Marcel, Florian und ich hatten eine emotional anstrengende aber sehr, sehr schöne Zeit in Sierra Leone.

Ich würde vermutlich nochmal mitfahren, ich weiß jetzt ungefähr was mich erwartet, allerdings NACH der Regenzeit, denn die Hitze verlangte mir einiges ab.

Aber im Großen und Ganzen denke ich schon, dass ich bereit wäre nochmals dort hin zu fliegen oder aber mit einer anderen Organisation in ein anderes Land (Vielleicht ein Malaria freies Land ;o).

 

Ich habe am 16.04. Geburtstag gehabt, vorher habe ich einen Spendenaufruf gestartet "Spenden statt Geschenke". Ich bin nach wie vor etwas fassungslos, Menschen die ich kaum kenne oder schon sehr lange nicht mehr gesehen habe, Menschen die ich "nur" durch Fotoshootings kenne und natürlich Freunde und meine Familie haben insgesamt 1000 Euro gespendet. Ich denke noch darüber nach was davon gekauft werden soll, sicherlich Kleidung, aber ich denke auch an Reis...

 

Und deshalb auch nochmal von hier aus:

 

1000 x Danke an alle Spender

 

Für mehr Informationen über die Organisation die hinter allem steckt, hier ein Link:

 

UCC-Orphanage.net

 

 

1 Nach §19 der Kleingewerberegelung bin ich berechtigt, keine Mehrwertsteuer auszuweisen.